Unzählige Male wurde ich nach einer Vorführung gefragt, ob ich mit meiner Magie nach Las Vegas möchte. Es ist eines dieser Klischees die Menschen über die Zauberkunst haben, was in Anbetracht der unzähligen magischen Shows dort nicht ganz unberechtigt ist. Meine Antwort war stets, dass ich mir vorstellen könnte, dort ab und zu aufzutreten aber aus vielen Gründen keine tägliche, abendfüllende Show zu spielen. Ob und inwieweit ob ich meine Meinung geändert habe, nachdem ich es live erlebt habe und wie ich die derzeit dort zu sehenden mentalmagischen Shows erlebt habe, möchte ich heute erzählen.
Unser erster gemeinsamer U.S.A.Trip begann mit einem Besuch des Magic Castle in Hollywood, welches seit seiner Gründung 1963 das Herz der Magie in Amerika und vielleicht auch weltweit ist. Es ist eine Ehre und so etwas wie Ritterschlag für jeden Magier, einmal auf einer der drei Bühnen des Magic Castle aufzutreten. Nachdem ich über 20 Jahre darüber gelesen und davon erzählt bekommen habe, hatte ich es mir größer vorgestellt, als es tatsächlich ist. Aber genau das macht seinen Charme aus, denn so wirken alle Shows intim und magisch. Andererseits ist es bemerkenswert, dass es beinahe an allen Tagen des Jahres für Mitglieder und deren Gäste geöffnet ist und dennoch fast immer voll ausgelastet ist. Mein Eindruck dort wie auch später in Las Vegas war, dass die magische Szene und ihre Akzeptanz als Unterhaltungsform in stetigem Wachstum ist und so hoffe und wünsche ich dieser Institution noch eine noch blühendere Zukunft als schon bisher.
Der Unterschied zwischen der intimen und gemütlichen, kitschig-verstaubten Atmosphäre des Magic Castle und Las Vegas war frappierend. Aber auch hier in der Stadt der Millionen Lichter und Leuchtreklamen war ich erstaunt darüber, wie viel kleiner als erwartet vieles war. Während die Stadt viel größer als erwartet und angenehm sauber war, waren die Spielstätten wenig beeindruckend und kleiner als noch auf den Sitzplänen zu erahnen. Aber auch hier hat das natürlich mit der Tatsache zu tun, dass diese Shows beinahe jeden Tag gefüllt werden müssen!
Anca und ich besuchten beide aktuell laufenden Mentalmagie-Shows. Beide, "Paranormal" von Frederic da Silva und "The Mentalist" von Gerry McCambridge waren unterschiedlich und zeigen doch fast ausschließlich Klassiker der Mentalmagie, diese aber perfekt inszeniert und durch unzählige Vorführungen geschliffen. Um ehrlich zu sein, waren wir etwas enttäuscht, weil wir originellere, neue und inspirierende Effekte zu sehen erhofft hatten und weil in beiden Shows die wirklich magischen Momente der Stille und des puren Erstaunens vermisst haben, die wir in unserer eigenen Show versuchen, entstehen zu lassen. Aber das will der typische Showbesucher in Las Vegas vielleicht gar nicht sehen. Um deren Einstellung und die Atmosphäre zu verstehen, will ich ein Beispiel geben.
Am Ende von Frederic da Silvas show "Paranormal" erhielt er Standing Ovations. Die ganze 75-minütige war bis zum letzten Moment extrem schnell und energiegeladen gewesen. Jedes Kunststück war perfekt zur permanent spielenden und auf jede Phase perfekt abgestimmten Musik getimt. Frederic schaffte es, die Spannung auf einem konstant hohen Level zu halten. Ich würde es Disco-Mentalismus nennen, auch der Raum dürfte vormals eine Disco gewesen sein. Am Ende initiiert Frederic den wohlverdienten Applaus, die begeisterte Menge steht auf, schreit, pfeift und johlt. Dann, nach 30 Sekunden gehen plötzlich die Saallichter an, die Menge dreht sich um und stürmt aus dem Saal als ob ein Feueralarm ausgebrochen wäre. Einige wollen bestimmt als Erster beim Meet & Greet mit dem Künstler sein, andere vielleicht schon zur nächsten Show eilen. Wenige Momente später ist der Raum leer und irgendwie fühlt es sich so an, als ob man gerade das köstlichste Fast Food gegessen hat und ich meine das ganz und gar nicht negativ. Ich bin sicher, dass beide Performer auch subtiler und leiser auftreten könnten aber ich denke, dass sie sich einfach an das angepasst haben, was die Besucher in Las Vegas sehen möchten und das tun sie brilliant und mit großer Erfahrung. Beide Shows sind in ihrer Art exzellent und ich würde jedem einen Besuch uneingeschränkt empfehlen. Beide haben sich übrigens auch im Anschluss an ihre Show die Zeit genommen, um uns etwas näher kennenzulernen und wir hegen den größten Respekt, nicht nur für ihr Talent sondern vor allem für die jahrelange harte Arbeit, die hinter solchen Shows steckt. Sie haben es sich wirklich verdient, dort zu sein, wo sie jetzt sind und wo viele gerne hin möchten.
Dennoch habe ich ein Problem mit dem Ausdruck "zuerst unterhaltsam, dann erst erstaunlich". Schnelle Effekte, laute Musik und Witze sind bestimmt unterhaltsam aber nicht auch ein wahres Wunder, in Stille und langsam vorgeführt unterhaltsam? Ist der Zauber des Unmöglichen nicht genau jene Unterhaltung, die man durch einen Magier erleben möchte? Ansonsten kann man gleich in ein Konzert oder ins Kabarett gehen.
Wir werden sehen, ob der künstlerische Zugang unserer Show, die für die klassische, europäische Theaterbühne entwickelt wurde, auch ein Publikum wie jenes in Las Vegas ansprechen wird können oder ob wir dort nur unsere Wettbewerbsnummer ebenso gestrafft, rasant und aufs Wesentlichste reduziert vorführen werden. In jedem Fall haben wir jedoch erkannt, wie "groß" unsere Produktion "Anca & Lucca - The Mind-Reading Revolution" eigentlich ist. Was wir in Wien und bald in Städten auf der ganzen Welt zeigen, würde auf den zuvor erwähnten Bühnen der Mentalmagie-Shows in Las Vegas gar keinen ausreichendenPlatz finden. Glücklicherweise müssen wir aber die Theater nicht täglich füllen, wie unsere Kollegen. Hut ab vor dieser Leistung!
Am Ende unserer Reise wurden wir zur 100-sten Edition von "Wonderground", einer einmal im Monat stattfindenden Variete-Show eingeladen, die von Jeff McBride, einem der einflussreichsten Magier und Lehrmeister, nicht nur in Las Vegas mit seiner "Magic & Mystery School", sondern auch über das Internet weltweit, gegründet und geführt wird. McBride hat es geschafft Magie aus Liebe zu ihr und nicht des Geldes wegen vorzuführen. Wir erachten dies als eine außergewöhnliche Leistung in einem Umfeld wie jenem in Las Vegas und es war berührend zu sehen, wie ein Superstar wie Criss Angel sich vor der versammelten Magic Community für seinen großen Einfluss seit seiner frühesten Karriere bedankt hat.
Wir waren überrascht, die Hälfte aller Magier, die eine Show in Las Vegas haben, persönlich kennenzulernen und noch mehr erfreut, dass wir sie auch mit unserer Magie auf einer exklusiven After-Party mit Größen wie Mike Hammer, Mac King oder Criss Angel verblüffen konnten. Wir haben den Eindruck mitgenommen, dass die Zauberkunst in dieser verrückten Stadt noch immer am Wachsen ist und dass vielleicht auch eines Tages eine Nische für unsere Theatershow entstehen kann, wer weiß. In der Zwischenzeit wurden wir einmal zu unserem ersten Auftritt in der Sin City eingeladen und das werden wir bestimmt bald tun. An dieser Stelle möchten wir uns sehr herzlich bei den magischen Gemeinschaften in Los Angeles und Las Vegas bedanken, die uns so herzlich und interessiert willkommen geheißen haben. Wir freuen uns darauf, euch bald wieder zu treffen!